BR-Aufnahme:

Johann Graf – Suite in G

Johann Graf wurde frühzeitig durch ungenannte Meister eine vielseitige musikalische Ausbildung zuteil, besonders als Oboist, Geiger und Komponist. Erstmals wird sein Name anläßlich seiner Mitwirkung im heimatlichen Deutschherrenstift genannt. Aber schon um 1708 trat er als Instruktor und Oboistenmeister ins Regiment des Nürnberger Generals Georg Wilhelm Löffelholtz ein, das an den Kämpfen in Ungarn teilnahm und Graf wiederholt Gelegenheit bot, sich in Wien zu perfektionieren. Vielleicht durch Verbindungen kaiserlicher Musiker mit dem Geiger und Mainzer Hofbeamten Johann Jakob Walther oder durch Vermittlung des Reichsvizekanzlers Friedrich Karl von Schönborn mochte er zu dessen Oheim, dem Erzbischof Lothar Franz, empfohlen worden sein, der abwechselnd zu Mainz und Bamberg residierte. Zuerst Leiter der Mainzer „Oboisten-Banda“, dann Hofmusiker in Bamberg (spätestens 1715), widmete er im Juli 1718 sein erstes gedrucktes Werk, 6 Violinsonaten, dem musikliebenden Neffen und Obermarschall des Kurfürsten, Rudolf Franz Erwein Graf von Schönborn. Den Geist ihrer Zeit überragend, könnten sie nach Manier und Technik Früchte seines Umgangs mit dem berühmten Geigenmeister J. J. Walther darstellen, verwandt auch dem fränkischen Geiste seines Landsmannes Johann Pachelbel.

1722 übersiedelte Graf nach Rudolstadt, wo ihn der Fürst von Schwarzburg zum Konzertmeister ernannte und mit der Leitung der Tafelmusik sowie Kompositionstätigkeit beauftragte. Schon aus dem darauffolgenden Jahr liegt ein neues Werk vor, das sich spürbar von seinem Erstling dadurch unterscheidet, daß es melodisches Pathos und „neue Empfindsamkeit“ zum Ausdruck bringt. Zahlreiche Kompositionen aus der folgenden Zeit, mehrere Jahrgänge von Kirchenstücken, Tafelmusiken und theatralische Szenen gingen durch den Schloßbrand von 1735 verloren. Ein letztes gedrucktes Opus, wiederum seinem Fürsten gewidmet, erschien 1737. Zwei Jahre später, als die Kapelle mit 30 Musikern verzeichnet wird, unter ihnen 3 Söhne Grafs, dekretierte ihn der Fürst anstelle des verstorbenen K. H. Lyra zum Kapellmeister. Wenige Jahre später trat Graf wegen Erkrankung ab, zeitweise von einem seiner Söhne, dann durch den Vizekapellmeister und Hofkomponisten Christoph Förster vertreten.

Durch seine Werke selbst als ausgezeichneter Geiger legitimiert, erwarb er sich auf Grund seines versöhnlichen, „fränkischen“ Wesens und seines Könnens die Verehrung seines Fürsten und dessen Hofes und wirkte über Schüler, zumal durch seine Söhne über seinen Tod hinaus. Kennzeichnet sein erstes Werk die Provenienz von der altdeutschen Geigerschule Schmelzer-Waltherscher Art, das zweite eine nachdrückliche Hinwendung zu Händelscher Melodik, so will das Alterswerk (1737) bewußt „nicht undeutlich distinguierende Arbeit“ darstellen, die sich in allerlei auf die Mannheimer Schule hinweisenden Manieren, ausgeschriebenen Verzierungen, Raketen, Synkopen, dissonierenden Intervallen manifestiert, bei fühlbarer Annäherung seiner musikalischen Gedanken an die Sprache J. S. Bachs.

Zobeley, Fritz, „Graf, Johann“ in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 722-723 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd122356306.html#ndbcontent